PresseKunterbuntes Knallbonbon An vielen Opernhäusern gibt es eine wunderbare Einrichtung, die sich Opernstudio nennt. Da werden junge Sängerinnen und Sänger nach ihrer Ausbildung an ihre zukünftigen Aufgaben herangeführt. Sie bekommen Gelegenheit, den Opernbetrieb intensiv kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, Meisterklassen zu besuchen, an in der Regel kleineren Produktionen teilzunehmen und vieles mehr. Badische Zeitung
Außerdem sollen die Teilnehmer eines Opernstudios ihren
Talenten entsprechend gefördert werden. Ganz besonders
ambitioniert zeigt sich in dieser Hinsicht die Opéra
national du Rhin mit ihren Spielstätten in Strasbourg,
Colmar und Mulhouse. Sie gibt eine eigene Produktion für
ihre Nachwuchskünstler in Auftrag.
Nicola Glück hat die Herausforderung angenommen und mit Hilfe der musikalischen Leiterin Ariane Matiakh die jungen Künstlerinnen und Künstler unter ihre Fittiche genommen. Herausgekommen ist eine Inszenierung des Don Pasquale, die ihresgleichen sucht. Erfrischend anders, mit komödiantischen Einschlägen und von einer seltenen Leichtigkeit. Eine opera buffa eben, wie Gaetano Donizetti sie sich wohl gewünscht hätte. Dass es eine Aufführung mit Haken und Ösen werden würde, darüber war sich Glück von vornherein im Klaren. Aber warum nicht das Unmögliche versuchen? Die Regisseurin, die die offenen Räume liebt, verzichtet konsequent auf den Einsatz von schweren Vorhängen. Stattdessen wählt sie einen drehbaren Würfel, der sich in den verschiedenen Stationen „auffächern“ lässt. In der Umsetzung des Bühnenbildes verlässt sich Glück ganz auf Pia Oertel, mit der sie eine jahrelange Zusammenarbeit verbindet. Oertel, zugleich für die Kostüme zuständig, schafft farblich zwischen Bühnenbild und Kostüm eine Einheit, was bedeutet, dass beide Damen sich in einem Farbenrausch verlieren, der für den französischen Opernbesucher eine echte Herausforderung darstellt. Rosa, orange und grün in allen Facetten reizen das Auge, machen wach, halten lebendig und ergeben in Kombination mit den Künsten des Beleuchters Thierry Kocher immer wieder überraschende Effekte. Von der Fröhlichkeit über das Drama bis zur Romantik bilden Farbe und Licht eine Einheit und überzeugen das Publikum. Weniger überzeugend die Musik an diesem Abend. Dumpf dröhnt es aus dem Graben des pittoresken Theaters von Mulhouse, was der mangelhaften Akustik des Ortes geschuldet ist. Matiakh hat Musiker und Darsteller im Griff, zeigt sich unglaublich engagiert und führt die anfangs nervösen Akteure auf der Bühne in die Sicherheit, die Musiker des Orchestre symphonique de Mulhouse gar zeitweise aus dem pflichtgemäßen Spiel in so etwas wie gelassene Begeisterung. Die Abstimmung zwischen Graben und Bühne übersteigt dann auch die Kräfte der engagiert und akkurat arbeitenden Dirigentin. So werden Sängerinnen und Sänger allzu häufig bis zur Unhörbarkeit von der Musik übertönt. Auf der Bühne ist der Star des Abends eindeutig Hanne Roos, eine junge Belgierin, der die Anstrengung zwar noch anzumerken ist, die aber ansonsten in Gesang und Darstellungskunst nicht nur überzeugt, sondern schlicht hinreißend ist. Sie flirtet mit dem Publikum, präsentiert sich überzeugend in den stimmlichen Lagen zwischen Komödie, Drama und Romantik. Köstlich spiegelt sie die Wandlungsfähigkeit der Norina wider. Ähnlich überzeugend gibt die Émilie Brégeon den einen der drei Liebhaber, die die Bühne beleben und aus der Statik herausführen. Die drei Liebhaber sind ein Einfall Glücks und damit, das Wortspiel sei erlaubt, ein Glücksfall. Sie unterstreichen das komödiantische Element und verleihen der Aufführung die Leichtigkeit, die das Publikum so begeistert. Nicht ganz so erfrischend präsentieren sich die Herren auf der Bühne. Dimitri Pkhaladze ist sowohl in Stimme als auch in Darstellung noch zu flach, erreicht erwartungsgemäß nicht die Tiefe, die die Rolle des älteren Herrn verlangt. Da wäre es nicht schlimm gewesen, wenn die Opéra national du Rhin der jungen Produktion einen reifen Bariton zur Seite gestellt hätte. John Pumphrey besteht darauf, den Ernesto trotz eben durchlittener Erkrankung zu spielen. Die Premiere besteht er nicht. Falsche Töne, flache Stimme und wenig Ausdruck reichen kaum, die Roos zu unterstützen. Der Malatesta in Gestalt von Yuriy Tsiple bleibt ebenfalls entwicklungsfähig. Zeitweise verwechselt er die Oper mit dem Sprechtheater, bleibt in der Schablone und versetzt sich zu wenig in seine Rolle. Er ist einfach noch zu sehr mit sich beschäftigt. Was dazu führt, dass die drei Liebhaber neben der Roos stärker glänzen als die Solisten. Es steht wohl außer Frage, dass an diesem Abend der Nachwuchs sein Bestes gegeben hat. Aber manchmal ist es eben doch ganz gut, ihn in die großen Rollen hineinwachsen zu lassen. Überspielt werden diese Schwächen von der Inszenierung Glücks und den Bühnen- und Kostümeinfällen Oertels. Wenn es Rosenblätter über Norina und Ernesto regnet, ist das fast schon ein Markenzeichen Glücks, wenn Schmetterlinge sich auf die Bühne herabsenken, ist das Glück einer Opera buffa, die im zweiten Teil an Tempo und Lust zulegt, nahezu perfekt. Das sehen auch die Zuschauerinnen und Zuschauer so, die mit lang anhaltendem Beifall und Jubelrufen das Ensemble verwirren, das mit solcher Begeisterung nicht gerechnet hatte. Superb! Vor dem Eingang sieht man ausgesprochen gut gelaunte Menschen aller Altersgruppen, die noch kurz den einen oder den anderen guten Einfall dieser Oper diskutieren, ehe sie sich voneinander verabschieden. Ein solches Vergnügen würde man sich auch auf einer deutschen Bühne wünschen. Michael S. Zerban OPERNNETZ „Der Nachwuchs in der Puppenstube" ….eine ordentliche, flotte, mitunter aufgekratzte und turbulente Version von Gaetano Donizettis Komischer Oper "Don Pasquale" …prägt sich der Moment ein, in dem die junge Norina spürbar erschrocken registriert, dass sie das schofle Intrigenspiel mit ihrem ältlich-verblendeten Gatten Pasquale zu weit getrieben hat – dann, wenn sie ihn ohrfeigt und er den Boden unter den Füßen zu verlieren droht. Wenn ihm der Johannistrieb so herzlos gründlich ausgetrieben wird, dass er wie ein bedauernswertes Häufchen Elend zusammensinkt...“ Badische Zeitung
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